Was wohl in fast allen ärztlichen Disziplinen schon beinahe ewig üblich sein soll, fand nun am 17. September 2022 auch für uns Hamburger Zahnärzte erstmalig statt – ein themenübergreifendes Update zur Zahnmedizin! Es war also quasi eine kleine Weltpremiere!
Das Ziel dieser Veranstaltung war es, den Hamsterrad-Tunnel-Blick mal wieder etwas zu erweitern, ihn zu erheben, um über den eigenen, oft schwerpunktbezogenen Tellerrand zu schauen. Ein richtiger „Science-Slam“ sollte es werden: Acht hochkarätige Spezialisten sollten in jeweils 45 Minuten zum Thema: „Was gibt es Neues in meinem Bereich?“ referieren. Sie waren von Initiator und Moderator Dr. Jan Behring eindringlich angehalten worden, sich nicht in ihrem absoluten Lieblingsthema zu verzetteln, sondern ohne Merchandising und möglichst „politisch korrekt“ ein paar gute praxisnahe Take-Home-Messages für alle teilnehmenden Kollegen darzubieten.
Etwa 170 Teilnehmer sind pünktlich in der Kuppel des Hotel Hafen Hamburg erschienen und haben sich – zusätzlich zu den spannenden fachlichen Vorträgen auf dem Podium – an den hanseatischen Wettereskapaden und -kapriolen und dem tollen Mega-Ausblick über den Hafen erfreut. Zu allem Überfluss hatte Dr. Jan Behring (?) dafür gesorgt, dass zeitgleich der 833. Hafengeburtstag stattfand.
Obwohl wir als Autoren den nichtteilgenommenen Leser jetzt keinesfalls die gesparte Wochenend-Zeit noch mit einer Kurzzusammenfassung des vermittelten Wissens belohnen wollen, sei uns ein kurzer Überblick der rundum gelungenen Veranstaltung erlaubt:
Dr. Christian Scheiffele vom UKE sprach über neue Entwicklungen der KI (künstliche Intelligenz) in der Röntgentechnik, über Infrarot und Ultraschall. Er versuchte auch bereits kurz nach 9 Uhr, unseren diagnostischen Blick bei der Auswertung von Panoramaaufnahmen zu schärfen.
Prof. Dr. Arne May hielt einen höchst hörenswerten, interessanten und kurzweiligen Vortrag zum Thema atypischer Gesichtsschmerz. Wann sollte ich trotz Schmerzsymptomatik aufhören, zahnmedizinisch einfach weiter zu behandeln? Zu hören, wie weit die Forschung auf dem Gebiet der Schmerztherapie schon gekommen ist und wie weit der Weg aber noch ist, also das war schon … – na das war schon was.
Für die Implantologie sprach Prof. Dr. Peer Kämmerer im Wesentlichen über die Möglichkeiten und Grenzen der kurzen bzw. dünnen Miniimplantate. Viele klare Praxistipps an dieser Stelle, die das Aufklären und Therapieren unserer Patienten klarer gestalten kann.
Sehr genießen durfte das Auditorium die fachliche Expertise in Sachen Adhäsivtechnik und das komödiantische Talent von Prof. Dr. Roland Frankenberger aus Marburg! Gut umsetzbare praxisgerechte Take-Home-Messages und drei Lachkrämpfe. Sensationell!
Für uns interessant und hoffentlich hilfreich waren auch die Informationen zur Alterszahnmedizin, die uns Dr. Elmar Ludwig aus Ulm über die von ihm in den letzten Jahren bundesweit in die Wege geleiteten Verbesserungen bei der Betreuung pflegebedürftiger Menschen gegeben hat. Sein engagierter Einsatz sollte zu einer besseren Mundhygiene bei diesem Personenkreis führen. Möge die mit vielen anderen entwickelte neue Homepage www.mund-pflege.net wirklich zu einem „Game-Changer“ im Bereich der Pflege werden.
Der ausgebildete Rettungssanitäter Julian Lauenroth aus Travenbrück frischte unsere Notfallkenntnisse auf, besonders in Sachen Kommunikationsketten, Checklisten, Nachfragen und vor allem Mitdenken („Wenn ein Patient noch lautstark schimpft, atmet er auch. In aller Regel ist das also kein lebensbedrohlicher Zustand!“).
Bei Prof. Dr. Daniel Reißmann aus Freiburg ging es um neue metallfreie prothetische Werkstoffe, also um POM, PEEK, PET, Polyamid, um Fräsen, 3D-Drucken, Sintern und Laserschmelzen. Er wies klar darauf hin, wie wichtig es für uns Zahnärzte ist, sich mit den verschiedenen Werkstoffen selbst auszukennen, da sich die Dental-Hersteller mit ihrer Werbung mittlerweile verstärkt direkt an die Patienten wenden würden.
Den Abschluss dieser eintägigen und sehr kurzweiligen Fortbildungsreihe übernahm Dr. Martin Brüsehaber mit seinem Vortrag über Diagnostik und Therapie der absterbenden Pulpa und den Möglichkeiten und Grenzen der Vitalamputation. Schön unterlegt mit aussagekräftigen Fotos durch das Mikroskop und entsprechenden Röntgenbildern.
Obwohl im Hafen zwischendurch das berühmte Ballett schlepperte und ständig irgendwelche großen und kleinen Hubschrauber um verschiedenste große und kleine Schiffe kreisten, schafften es alle Referenten, das Auditorium zu fesseln und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Frühstück und Mittagessen waren lecker, gesund und abwechslungsreich und dem aktuellen Zeitgeist gemäß genau so bemessen, dass kein einziges Krümel Lebensmittel weggeworfen werden musste.
Insgesamt ein lohnenswerter und absolut wiederholungswürdiger Tag! Wir haben bei Frau Gries schon für das nächste Jahr reserviert! Vormerken: 16. September 2023, Hotel Hafen Hamburg!
Dres. Julia und Ron Tehsmer
(Dieser Text wird auch im „Hamburger Zahnärzteblatt“ veröffentlicht)