Dem netten, aber eindringlichen Bitten, Betteln und Bauchpinseln seitens des Fortbildungsausschusses der Zahnärztekammer konnten wir nicht wirklich lange widerstehen und erklärten uns bereit, den nun folgenden Bericht zu Papier zu bringen. Kurz haben wir überlegt, ob wir einfach ChatGPT anschmeißen: „Schreib einen witzig-knackigen Text zum Zahnärztetag in Hamburg!“, mussten aber schnell feststellen, dass auch im Künstlichen die Intelligenz recht ungleich verteilt ist. Und bevor vom Thema Endodontie nur etwas mehr als eine bunte Pfanne Wurzelgemüse übrig bleibt, haben wir dann doch lieber selbst geschrieben.
Mehrere hundert Kollegen im Konferenzsaal des Empire Riverside Hotels und zu Hause vor den Monitoren wurden am Freitag Mittag von Konstantin von Laffert gewohnt professionell-freundlich begrüßt. Er berichtete von seinem Einsatz zur Abschaffung der investorgeführten MVZs. Immerhin habe dieser Einsatz möglicherweise mit dazu beigetragen, dass gleich zwei einstimmige Beschlüsse aller 16 Bundesgesundheitsminister, also über die Parteigrenzen hinweg, gefasst worden sind. Darin wird jeweils gefordert, dass das Gesundheitsministerium gesetzliche Rahmenbedingungen zur Regulierung sogenannter investorengeführter MVZs schaffen soll.Direkt vor Weihnachten habe nun Herr Prof. Dr. Lauterbach in einem Tweet den Investoren ein letztes schönes Weihnachtsfest gewünscht – das lässt hoffen! Herr von Laffert hat allen Kolleginnen Mut gemacht, da es investorgeführte MVZs schließlich nur gäbe, weil der Betrieb von Zahnarztpraxen in Deutschland immer noch lukrativ sei(n kann).
Ehrennadel statt Oscar für Dr. Einfeldt
Anschließend wechselte die Stimmung fast in Richtung Dolby Theatre Los Angeles – (Trommelwirbel!) – es ging um eine Ehrung für ein Lebenswerk! Es gab für Dr. Thomas Einfeldt zwar keinen Oscar, aber immerhin die silberne Ehrennadel der deutschen Zahnärzteschaft. In seiner Laudatio konnte von Laffert nur einige der Verdienste herausstellen, die Dr. Einfeldt in mehr als 32 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit für die Hamburger Zahnärztinnen und Zahnärzte errungen hat. So geht beispielsweise der Zahnärztetag Hamburg aus seiner Initiative und Idee hervor. Auch hat Dr. Einfeldt die zahnmedizinische Präventionsarbeit in Hamburg maßgeblich mit vorangetrieben. Dr. Einfeldt bedankte sich seinerseits und betonte die großen Erkenntnisgewinne, die er sowohl fachlich als auch persönlich aus dieser Tätigkeit gezogen habe. Abschließend warb er dafür, sich ehrenamtlich für den Berufsstand zu engagieren. Im folgenden Grußwort rief Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, dazu auf, nicht immer nur zu meckern, sondern einfach mal zu machen! Pragmatismus und gute Laune sind nämlich viel eher geeignet, um dem zahnärztlichen Nachwuchs Mut zu machenUnd dann startete der mit Spannung erwartete fachliche Teil des Hamburger Zahnärztetages. Etliche renommierte Wurzeltrolle und Kanalarbeiter waren avisiert. Prof. Dr. Edgar Schäfer aus Münster zerpflückte zum Auftakt genüsslich die wohl einzige halbwegs lesbare Studie über Mercaptane und Thioether in und aus wurzelkanalbehandelten Zähnen. Sein Fazit: Thioether und Mercaptane tauchen in größeren Mengen bei vielen Abbauprozessen im Körper auf – hauptsächlich im Darm bei der Verdauung. Bislang konnte nicht belegt werden, dass diese nachweisbaren Gifte ihre Ursache in fachkundig wurzelbehandelten Zähnen haben. Zusätzliches wissenschaftlich gesichertes Bonbon zum Abschluss seines kurzweiligen Vortrages: Rotwein wirkt bei systemischer Anwendung antiinflammatorisch (das wollten einige am liebsten sofort ausprobieren …)!
Unsanft erinnerte uns Prof. Dr. David Sonntag an Physiologie-Vorlesungen und Physikums-Prüfungen mit seinen Ausführungen über Dentinschmerz, neuropathischen Schmerz, Entzündungsschmerz, A-Fasern und C-Fasern. Aber bei IL-R, TRPV1, ASIC3, TNFα, PKA, PKC, Kininen, Purinen und Prostaglandinen waren alle recht schnell wieder im Bilde! Sein prinzipieller Aufruf war jedoch: Anamnese und Diagnostik stets unvoreingenommen und komplett bis zum Ende machen! Keine Abkürzungen! Und ohne Diagnose keine Therapie (niemals, never, nie!)!
Dr. Christoph Zirkel führte uns auf humorvolle Weise in die Geheimnisse des Gleitpfades ein. Um noch schneller ans Ziel zu kommen, sollten Sie einen Kurs bei ihm buchen. Schön war, dass er alle Kategorien der Kollegenschaft abgeholt und unterhalten hat: die ungeübten, die geübten und die sehr geübten. Jeder Joke wurde von allen verstanden und jeder konnte sinnvolle messages home taken. Die frotzelnden Wortgefechte mit Prof. Schäfer erinnerten an den Quatsch Comedy Club – nur mal so als Anregung …
Sealer sollten „kollegial“ eingesetzt werden!
Dr. Thomas Clauder referierte ausführlich zu den verschiedenen Arten der Wurzelfüllung. Kurz-Fazit: Alle modernen Techniken funktionieren. Bei biokeramischen Sealern läuft aktuell die größte Marketingkampagne, Vorteile sind noch nicht belegt und besonders das single-cone-Verfahren in Zusammenhang mit einem biokeramischen Sealer lässt sich praktisch nicht mehr revidieren. Ungeübte oder normal geübte Behandler sollten dies „aus kollegialen Gründen“ also den sehr geübten Behandlern überlassen. Tommy schaffte es tagesabschließend, das bereits etwas ausgelaugte Auditorium warm-vertikal, lateral und schließlich final abzufüllen.
Mit mehr oder weniger sprudelnden Getränken wurde das fast schon obligatorische „Get Together“ eingeleitet, auf dem das soeben Gelernte weiter vertieft oder eben Platz für Neues geschaffen werden konnte.
Genauso undankbar wie das letzte Referat des Tages ist der erste Vortrag am nächsten Morgen. Pünktlich ab 9 Uhr beleuchtete ein sichtlich ausgeschlafener Dr. Johannes Cujé die „Kann-Soll-Muss-Kaskade“ eines endodontischen Notfalls, obwohl er nach den Ausführungen von Christoph Zirkel am Freitag etliche Teile des eigenen Vortrages noch nachts umschreiben musste, um Doppelungen zu vermeiden! Wie betäube ich richtig, welche Rolle spielt die Angstbewältigung bei der Schmerzkontrolle und welche Medikamente helfen systemisch. Weil das wohl alle Kolleginnen und Kollegen so sehr und relativ oft betrifft, hier (ausnahmsweise!) die grundsätzlichen Regeln in absoluter Kurzfassung: Weniger Adrenalin, mehr Gesamtmenge. Zusätzliche Infiltrationen lingual, palatinal, buccal. Es hilft eine Kombi aus 800mg Ibuprofen in Verbindung mit 0,5 mg Prednisolon eine Stunde vor der Anästhesie. Entfernung der Noxe ist obligat: Karies muss raus, dichte Aufbaufüllung, nicht offen lassen, Zahn außer Kontakt, immer Kofferdam! Läuft Eiter und/oder Blut aus dem Kanal: laufen lassen bis es abgelaufen ist – dann schließen! Und Aufklären, dass es danach auch noch weh tun kann und dass Kühlen und Ibuprofen helfen und eher rechtzeitig als zu spät angewendet werden dürfen und sollten. Und sich und den Patienten klar machen, dass ein Bandscheibenvorfall eher bis zu 4 Monate weh tut, ein akuter Endo-Zahn im schlechtesten Fall mal eine Woche!
Ein Endo-Vorfall ist zum Glück kein Bandscheiben-Vorfall
Dr. Bijan Vahedi sprach über die Unterschiede zwischen der „klassischen Wurzelspitzenresektion“ (Wagner, Bruckner – Anm. der Red.) und der „endodontischen Mikrochirurgie“ (Chopin, Paganini – Anm. der Red.). Er erklärte den unverzichtbaren Einsatz des OP-Mikroskops, die Patientenlagerung, den Einfluss moderner Materialien, die nötigen Resektionswinkel und Möglichkeiten der Blutstillung. Wer das lernen möchte, braucht echt einen Kurs (der natürlich auch bei ihm gebucht werden kann). Kurze Statistik: 90% der apikalen Aufhellungen haben eine intrakanaläre Infektion als Ursache und gehören daher auch genau dort therapiert (Revision!)! Extrakanaläre Infektionen, Zysten, Narben und Fremdkörper teilen sich zusammen die restlichen 10%.
Nachdem der Einleitungsfilm bereits im dritten Anlauf mit klassischer Musik unterlegt durch den Saal schmetterte, sprach Prof. Dr. Katrin Bekes aus Wien über das Milchgebiss. Die insgesamt rückläufige Karies sei in einigen Bevölkerungskreisen in der Coronazeit leider wieder angestiegen – wenige Kinder haben viel Karies. Am wichtigsten: die Aufklärung der Eltern und ganz regelmäßige Kontrollen nach einer für uns erstaunlich pragmatischen Therapie (wurde in Grundzügen erklärt, würde hier zu weit führen. Kurs buchen!).
Wissenshunger schlug den Mittagshunger um Längen
Dr. Jan Behring aus Hamburg und PD Dr. Kerstin Bitter aus Berlin loteten in einem gemeinsamen Auftritt die Grenzen der Zahnerhaltung aus. Es ging um chirurgische Kronenverlängerung, proximal box-elevation, Extrusion, Stift- (bzw. original-berlinerisch „Stüft-„) -materialien, Faserbündel, Endokronen, Präparationsformen für Keramikteilkronen und vieles Interessantes mehr, so dass die meisten Präsenz-Teilnehmer fast schon ihren Mittagshunger vergaßen (während zu Hause bei vielen bestimmt schon das Steak oder der Gemüse-Bratling auf dem Teller lag!?).
Nach einem leckeren Mittagsmahl und interessanten Gesprächen mit den Ausstellern der anwesenden Dentalfirmen war Dr. Clemens Bargholz dran. Er erklärte gewohnt jovial, wie man das eben so macht in der Endodontie. Lage und Form der Trepanationsöffnung, Trepanationsrichtung, primäre und sekundäre Zugangskavität, Gleitpfad, Eddy, Ultraschall, Laser, Spülung… alles wurde kompetent und fachlich versiert beleuchtet. Ob die abschließend zum Besten gegebene Weisheit von seinem (verzweifelten?) Golflehrer kommt, wissen wir nicht: „Es gibt wie beim Golfspielen keine Perfektion, aber man sollte immer versuchen, ihr möglichst nahe zu kommen!“ Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass man auch mit Dr. Bargholz Kurse buchen kann.
Am späten Nachmittag noch ein volles Auditorium? Beim Zahnärztetag kein Problem. Dr. Thomas Clement setze mit seinem Vortrag über die Möglichkeiten der Abrechnung unserer erbrachten Leistungen den Schlussakkord des diesjährigen Hamburger Zahnärztetages. .. Dr. Clement, GOZ-Referent der Zahnärztekammer Hamburg, referierte über Richtlinien, Analogpositionen, Bema mit und ohne Zuzahlung, GOZ, Paragrafen, Materialberechnung, Zusatzleistungen und selbstständige Leistungen …
Wer nicht dabei war hat was verpasst! Schnell einbuchen für nächstes Jahr! Lohnt sich!
Dres. Julia & Ron Tehsmer, Hamburg